Stellungnahme des PRG-Vorsitzenden zum Thema Missbrauch
München, den 20. Februar 2022
Liebe Mitchristen in der Pfarrgemeinde St. Florian,
das Thema des Missbrauchs und des Missbrauchsgutachtens beschäftigt nicht nur die Medien – es beschäftigt auch uns hier vor Ort. Als der Tagesordnungspunkt „Wie geht es St. Florian?“ im letzten Pfarrgemeinderat aufgerufen wurde, kamen all die Emotionen hervor, die auch ich verspüre:
Wut, Enttäuschung, Trauer und Ohnmacht.
Ich bin wütend, dass trotz aller Maßnahmen der letzten Jahre immer noch Missbrauch in der Kirche passiert. Ich bin enttäuscht, wie jahrzehntelang Laien laut Aussage der Gutachter unmittelbar, richtigerweise, bestraft wurden und scheinbar im Klerus Vergebung und Nachsicht Leitmotiv waren und diese der Verantwortung vor weltlichen Gerichten entzogen wurden. Ich bin traurig, da die Opfer nicht Kern der Fürsorge waren und sind. Ich fühle mich ohnmächtig, wenn ich auf die katholische Kirche, mein Engagement, meinen Glauben im Kontext dieser so himmelschreienden brutalen Verbrechen an Schutzbedürftigen angesprochen werde. Und zeitgleich höre ich sowohl aggressive als auch relativierende Stimmen, die sich lautstark melden und für ihre Sicht und Agenda kämpfen.
Wir alle haben uns im Pfarrgemeinderat kurz nach der Veröffentlichung des Gutachtens gefragt: Was hat das mit uns hier in St. Florian zu tun? Die Antworten waren vielfältig und differenziert. Danke dafür! Aus meiner Sicht wurde klar, dass wir weiterhin in unserer Pfarrei in Sachen Missbrauchsprävention strenge Maßstäbe anlegen werden.
Wir diskutierten - mit vielen Sichtweisen - auch über die häufig bei der Diskussion über Missbrauch und deren Vertuschung verbundenen Fragen von Macht, die Rolle der Frau in der Kirche sowie die institutionelle Konzentration von Machtfülle bei Amtsträgern. Ich erlebe St. Florian hier bereits als in die richtige Richtung gehend: Wir haben viele großartige Frauen als Führungskräfte und Engagierte im Pfarrverband. Das ermutigt!
Was haben wir direkt getan? Zuallererst haben wir die Kontaktdaten der Anlauf- und Betreuungsstelle für Betroffene vom sexuellen Missbrauch auf unserer Homepage des Pfarrverbands veröffentlicht: https://www.vier-heilige.de/
Wer sich ein differenziertes Bild machen möchte, findet die Gutachten und Stellungnahmen unseres Erzbischofs, der Amtschefin und des Generalvikars sowie des em. Papstes Benedikt XVI. online (siehe Links).
Mich hat besonders der Offene Brief des Vorsitzenden des Diözesanrates, Prof. Dr. Hans Tremmel, angesprochen. Daraus möchte ich eine mich sehr berührende Stelle zitieren:
„Ja, es muss uns ein Anliegen sein, dass die grandiose Botschaft Jesu Christi weiterhin in die Gesellschaft getragen wird, auch in künftigen Generationen. Ich möchte nicht, dass Kinder in 20, 30 Jahren von diesem Jesus Christus nichts mehr mitbekommen, weil es kaum noch kirchliches Leben gibt – keine Glaubensverkündigung, keinen Religionsunterricht, keine caritativen Einrichtungen – nur weil wir heute sagen: Wir schmeißen jetzt wegen dieser Verbrechen alles hin.“
Beten wir für die Betroffenen dieser Verbrechen in der Kirche – aber auch für unsere Kirche. Und hoffen wir auf den Weg, den wir alle gemeinsam als Kirchenvolk weiter gehen.
In geschwisterlicher Verbundenheit
Björn Maiworm, Pfarrgemeinderatsvorsitzender St. Florian
Links zum Gutachten und Stellungnahmen
https://westpfahl-spilker.de/wp-content/uploads/2022/01/WSW-Gutachten-Erzdioezese-Muenchen-und-Freising-vom-20.-Januar-2022.pdf (1893 Seiten); Zusammenfassung auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=M%C3%BCnchner_Missbrauchsgutachten&oldid=220087440
https://www.erzbistum-muenchen.de/gutachten-2022/statements (Stellungnahmen von em. Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, Amtschefin Dr. Stephanie Herrmann, Generalvikar Christoph Klingan)
https://www.katholisch.de/artikel/33063-benedikt-xvi-weist-vorwurf-der-luege-zum-muenchner-gutachten-zurueck (Artikel zitiert die weitere Stellungnahme Papst em. Benedikt XVI. im Wortlaut)